Mensch ITIL

Wenn von ITIL die Rede ist, denkt man oft an die von der IT erbrachten Services, deren Prozesse einfach angestoßen werden und ohne menschliches Zutun ablaufen. Tatsächlich aber ist der Anteil an manuelle Arbeiten oft sehr groß. Dies bedingt, dass umso mehr in die Planung und Überwachung der Prozesse investiert werden muss. In der Praxis ist aber häufig genau das Gegenteil der Fall.

Unterschiede in der Umsetzung

Angenommen, von einer IT-Anwendung soll ein automatischer Report erstellt werden. Dieser wird spätestens im Rahmen der Abnahme (hoffentlich schon früher) geprüft und für gut befunden bzw. Nachbesserungen eingefordert.

 

Erfolgt die Erstellung eines solchen Reports aber manuell, wird dieser oft nicht mehr als Abnahmegegenstand gesehen und damit entsprechend vernachlässigt. „Das können wir dann ja noch später abstimmen“ sind oft gebrauchte Wendungen, um sich zunächst keine Gedanken machen zu müssen.

 

Diese Einstellung zieht sich dann von der Erstellung der Anforderungen bis hin zur Umsetzung durch. Schließlich wird je nach Mitarbeiter der Report immer ein wenig anders aussehen – nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich. Es ist zumindest fraglich, ob dieser Report dann vom Anforderer für den vorgesehenen Zweck genutzt werden kann.

 

Unterschiede im Betrieb

Im laufenden Betrieb werden bei einem vollautomatisierten Prozess ggf. Fehler oder Änderungswünsche identifiziert – ansonsten läuft er aber in der Regel immer gleich und nachvollziehbar, ohne dass dafür weitere Maßnahmen zu ergreifen wären.

 

Sobald der Faktor „Mensch“ ins Spiel kommt, kann der Prozess über kurz oder lang „aus dem Ruder laufen“, wenn nicht zusätzliche Regulations-Mechanismen implementiert werden. Prozessschritte werden dann bewusst übersprungen („braucht doch eh keiner“), falsche unbewusst hinzugefügt („hat mir mein Vorgänger so gesagt“) oder auch alternative Wege gefunden („das ist doch viel zu umständlich – so geht’s einfacher“). Dabei werden die Konsequenzen für den Gesamtprozess oder auch für die Interaktion mehrerer Prozesse völlig außer Acht gelassen.

 

Ansatzpunkt: Service Design

 

Prozessdokumentation

Im Service Design wird der Grundstein für einen funktionierenden Prozess gelegt.

 

Voraussetzung dafür, dass vernünftig über Prozesse diskutiert werden kann, ist eine vorhandene Prozessdokumentation. Die Dokumentation sollte sich dabei nicht nur auf das „was“ beschränken, sondern auch die Verantwortlichkeit regeln („wer“) sowie die Abhängigkeiten und zeitlichen Rahmenbedingungen („wann“) klarstellen. Soweit stellt dies aber nichts anderes als eine ordentliche Prozessbeschreibung dar.

 

Überprüfung der Prozessergebnisse / Feedback

Was allerdings meistens vergessen wird, ist die Überlegung, wie der Prozessverantwortliche die Funktionsfähigkeit des Prozesses prüfen kann. Dies ist aus meiner Sicht einer der Knackpunkte die zu einer deutlichen Abweichung zwischen dem beschriebenen und gelebten Prozess führen.

 

Die Prozessergebnisse müssen bzgl. Abweichungen stets transparent sein – nicht nur dem Verantwortlichen, sondern auch den an dem Prozess beteiligten Mitarbeitern.

 

Nur wer auf einfache Art und Weise den Fortschritt und die Ergebnisse (und damit die Funktionsfähigkeit) des Prozesses prüfen kann, ist auch in der Lage, direktes Feedback zu geben bzw. Konsequenzen für seine eigene Arbeit zu ziehen.

 

Deshalb sollten bei der Prozessdefinition folgende Fragen gestellt werden:

 

  • Welche Prozessergebnisse sind besonders wichtig?
  • Wie können diese automatisiert erfasst werden?
  • Ist eine Betrachtung von Teil-Prozessen notwendig (z.B. zur Fortschrittsbeurteilung), oder reicht die Sicht auf den Gesamtprozess?
  • Wie können Fehler/Unstimmigkeiten/Abweichungen einfach erkannt werden?
  • Auf welchem Weg kann die Kommunikation des Feedbacks erfolgen?
  • In welchem Intervall ist ein Feedback sinnvoll?

 

Die letzten zwei Fragen zielen dabei nicht auf eine Vorgabe bzgl. Kommunikation ab, sondern sollen zum Nachdenken bzgl. der Möglichkeiten abseits der regulären Kommunikationswege anregen, die ggf. bei einer Implementierung zu berücksichtigen sind.

 

So ist es durchaus denkbar, dass ein Mitarbeiter zu einem beliebigen Zeitpunkt selbst eine Auswertung der ihm zuordenbaren Prozessergebnisse abrufen kann. Eine derartige Selbstkontrolle kann sogar schneller zu besseren Prozessergebnissen führen – setzt allerdings auch ein bestimmtes Selbstverständnis des Mitarbeiters und eine entsprechende Firmenkultur voraus.

 

Möglichkeiten

 

Service Transition

Durch eine einfache Überprüfbarkeit der Prozessergebnisse fällt auch die Beurteilung leichter, ob ein neuer Service, der die Prozesse nutzt, erfolgreich eingeführt wurde. Nicht selten existiert eine „Über den Zaun werfen“-Mentalität, die zwar zu einem neuen Service führt, dessen Qualität oder Verfügbarkeit aber sehr eingeschränkt ist.

 

Wenn es ein Maß gibt, mit dem der „Erfolg“ einer Einführung bestimmbar ist (wenn auch nicht allumfassend), kann auch auf dieses Ziel konsequent hingearbeitet werden.

 

Service Operation

Prozesse, die nicht gelebt werden, sind Alltag. Dafür kann es durchaus verschiedene Ursachen geben: einmal existiert keine Prozessdokumentation, ein anderes Mal keine ausreichende oder gar veraltete Dokumentation. Andererseits kommt es auch vor, dass alles auf dem Papier existiert, aber keine Akzeptanz bei den Mitarbeitern hat.

 

Die Arbeit wird in der Regel erledigt, allerdings nicht unbedingt im Sinne eines einheitlichen Prozesses. Jeder erreicht das vermeintliche Ziel auf einem anderen Weg und mit unterschiedlichem Erfolg.

 

Diese Abweichungen einzudämmen ist das eigentliche Ziel der beschriebenen Maßnahmen im Abschnitt Service Design. Mit Hilfe von einfach zugänglichen Auswertungen der Prozessergebnisse erhält der Verantwortliche ein Werkzeug an die Hand, um Korrekturen gezielt vornehmen und Feedback an die Prozessbeteiligten geben zu können.

 

Fazit

Dem Thema „Continual Service Improvement“ kommt bei personalintensiven Services eine besondere Bedeutung zu. Häufig wird diese ITIL-Disziplin zwar nickend zur Kenntnis genommen („ja klar, muss man machen“), aber die Realität sieht dann doch meistens anders aus.

 

Dies liegt sicherlich auch daran, dass im Rahmen der anderen Disziplinen nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess überhaupt implementieren zu können.

 

Insbesondere das Service Design trägt dabei eine starke Verantwortung. Dort müssen die Grundlagen geschaffen werden, damit alle darauf abhängigen Disziplinen überhaupt eine Chance haben, die an sie gestellten Anforderungen erfolgreich umzusetzen.

 

Autor: Björn Trosowski

August 2017

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