Es gibt sie noch, die grüne Wiese - ITIL Einführung bei einem produzierenden Unternehmen aus dem Mittelstand

Mitte letzten Jahres bekam ich die Gelegenheit, bei besagten Kunden eine begonnene IT- Strategie fertigzustellen und im Anschluss den Auftrag Teile aus dieser IT-Strategie umzusetzen. Dazu gehörte u.a. auch die Einführung von ITIL Prozessen.

 

Vorausschicken will ich noch, dass vor Start der IT-Strategie ein "IT-Health Check" von Kollegen durchgeführt wurde, der als Ergebnis hatte, dass die Prozessreife stark ausbaufähig ist.

Mit dieser und weiteren Erkenntnissen und der Erwartungshaltung seitens der  Geschäftsführung, habe ich mich mit dem IT-Leiter zusammengesetzt und mir erläutern lassen, wie das Tagesgeschäft organisiert ist, welche Art von Störungen und Changes in welcher Frequenz auf die IT-Mitarbeiter einprasseln und  wieviel Zeit für die Bearbeitung dieser benötigt wird.

Nach kurzer Zeit wurde mir klar, dass die IT ihr Tagesgeschäft zwar gemeistert und auch IT spezifische Projekte, wie z.B. die Einführung eines neuen Storage Systems realisiert bekommt, sowie nach "Hey Joy" Prinzip ihren Anwendern weiterhilft und eine hohe Akzeptanz und Kundenzufriedenheit unter den Anwendern gewährleistete, aber gleichzeitig der IT-Leiter in Erklärungsnot kam, wenn es darum ging der Geschäftsführung glaubhaft zu vermitteln, dass die IT an ihren Leistungsgrenzen gelangt ist und eigentlich eine Aufstockung von 1-2 Mitarbeitern notwendig sei.

Nur leider war das nicht das, was die Geschäftsführung hören wollte, sondern eher wie sich der IT-Leiter den Weg zum "Business Enabler" vorstellt und natürlich auch eine Idee haben sollte, wie zukünftig mit dem Thema "Digitalisierung" umgegangen werden sollte. Diese diametralen Positionen galt es nun unter der Überschrift "Einführung IT Service Management", unter der Zuhilfenahme von ITIL als Framework", zu berücksichtigen.

 

Die IT-Mannschaft, wie auch der IT-Leiter, kannten ITIL vom Hörensagen, konnten aber nicht viel mit der Termini anfangen. Bei meiner Herangehensweise war eine der ersten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Budget für eine ITIL Foundation für die gesamte IT-Mannschaft zur Verfügung stand und diese Schulung schnellstmöglich durchgeführt wird und damit ein Grundverständnis von ITIL vorhanden ist. Nach ca. 2 Monaten war dies geschafft, da immer nur kleinere Gruppen von 2-3 IT Mitarbeitern an einer Schulung teilnehmen konnten, auf Grund der Aufrechthaltung des Tagesgeschäftes.

 

In der Zwischenzeit begann ich mit dem IT-Leiter auf Basis einer ITIL Prozesskarte eine angepasste kundenspezifische ITIL Prozesslandkarte zu entwickelt, da es überhaupt keinen Sinn gemacht hätte, dieses Unternehmen mit allen ITIL Prozessen zu beglücken. Letztendlich haben wir sechs ITIL Prozesse von Grund auf modelliert und eingeführt. Ein weiterer Prozess, Event Management, hatte technisch eine hohe Reife, sodass ein überschaubarer Aufwand in die Prozessdefinition inkl. Schnittstellen etc. gesteckt werden müsste.

 

Ein größere Herausforderung war es, ein "Anforderungsmanagement" zu platzieren. Dies war zwingend notwendig, da die IT mit Projektunterstützungsanfragen, funktionalen Anforderungen etc. überflutet wurde. Die Herausforderung bestand weniger in der Modellierung und Aufsetzen des Prozesses, sondern eher im Herbeiführen das tradierte Handeln der Anwender dahingehend zu ändern, jetzt ihre "Bedarfe" an die IT auf Papier zu bringen und strukturiert durch einen Prozess geführt zu werden, da dieses Ansatz am Ende neben einer Darstellung des Nutzens auch Planungssicherheit gibt, so haben beide Parteien etwas davon.

Ich persönlich fand den Aufbau eines Service Katalogs mit am interessantesten, da es der IT-Mannschaft die Augen öffnete, hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit, aber jetzt formuliert als "Business Services" und "Service Anfragen" schwarz auf weiß niedergeschrieben, inkl. der vollständigen Kostenbetrachtung, Messpunkte, Service Level und Reports.

 

Parallel habe ich mit der Unterstützung eines Kollegen, der ein umfassendes Wissen über ITSM Tools und deren Einführung hat, noch mit der Evaluierung, Entscheidungsvorbereitung und Einführung eines ITSM Tools befasst. Somit bekam die IT Abteilung die Möglichkeit, Tickets strukturiert zu erfassen und auf Basis der definierten "Business Services" und "Service Anfragen" zu kategorisieren. Dies half ungemein dem IT-Leiter via Reports der Geschäftsführung darzulegen, für welche Tätigkeiten die IT Kapazitäten aufwendet.

 

Es war auch interessant zu beobachten, wie sich das Mind set der IT Abteilung von "Hey Joe" zu einer mehr prozessorientieren Abteilung wandelte, aber gleichzeitig den Spagat hinzubekommen ihren Anwendern zu vermitteln, dass nicht alle vermeintlichen Störungen sofort behoben werden müssen und trotzdem serviceorientiert zu handeln.

 

Trotz Tagesgeschäft, einer parallel laufenden ERP Einführung getrieben durch die Fachbereiche, Schulungs- und Coaching Maßnahmen, haben wir all diese Aktivitäten innerhalb von sieben Monaten umgesetzt und dadurch eine Basis aufgebaut, die es dem IT-Leiter ermöglicht, sich mittelfristig mit der Ausrichtung hin zum "Business Enabler" und einer "Digitalisierungsinitiative" zu befassen.

 

Sie fragen sich eventuell, warum ich diesen Blog geschrieben habe, da ich nicht gerade sagenhafte neue Erkenntnisse und auch keine tiefgreifende Herausforderungen und deren Lösung beschrieben habe.
Ich habe in meiner Vergangenheit schon einige ähnlich gelagerte ITSM Einführung begleitet, auch in Konzernen, und stelle immer wieder fest, dass gerade im Mittelstand ITSM bzw. ITIL rudimentär vorhanden ist und es durchaus noch die "grüne Wiese" gibt, auf der durch pragmatisches Handeln in kurzer Zeit gute Ergebnisse erzielt werden können.

 

Wenn man dann noch als Berater das Feingefühl besitzt, die IT nicht mit einer aus der reinen Lehre abgeleiteten ITIL Einführung beglücken zu wollen, sondern vorher sich Zeit nimmt zuzuhören wo der Schuh drückt, wie die Sicht der IT Mitarbeiter auf ihre Situation ist, hat man schnell eine hochmotivierte Mannschaft, wo es trotz aller Höhen und Tiefen, die solche ein Projekt mit sich bringt, richtig Spaß macht gemeinsam diesen Weg zugehen. Dass wollte ich einfach einmal los werden.

 

Vielleicht haben Sie  andere oder ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie doch einen Blog.

 

Autor: Frank Schulz

April 2017

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