Die Anwendbarkeit von ITIL auf das Eskalationsmanagement in Konzernen

Häufig werden Richtlinien und Vorgaben aus dem Lehrbuch in der Praxis nicht 1:1 umgesetzt. Einerseits, weil vor Ort gewisse Gegebenheiten ein Befolgen der Vorgaben verhindern. Andererseits, weil die handelnden Personen trotz Kenntnis der Best Practices andere Entscheidungen treffen. Da sich ITIL selbst nicht als strikt zu verfolgende Vorlage, sondern als Sammlung von Best Practices sowie Handlungsempfehlungen ansieht, ist dies in Bezug auf das IT Service Management nicht zwingend notwendig.

Dennoch ist gerade im Bereich des Service Desks sowie speziell im Eskalationsmanagement, das Befolgen der Empfehlungen ratsam, um einen reibungslosen Ablauf der Ticketbearbeitung zu gewährleisten.

 

Die meisten Konzerne stellen ihren leitenden Mitarbeitern Eskalationsmöglichkeiten zur Verfügung, falls die Bearbeitung einzelner Tickets über den Service Desk nicht zufriedenstellend vorangetrieben wird. Häufig handelt es sich um eigenständige Teams, welche losgelöst vom Service Desk arbeiten. Die Fragen, die man sich mit der Implementierung eines Eskalationsmanagements stellen muss, sind vielfältig:

 

  • Wann darf ein Fehler eskaliert werden?
  • Wer hat das Recht Eskalationen einzuleiten?
  • Wie viel Macht wird dem Eskalationsteam eingeräumt?
  • uvm.

 

Besonders die letzte Frage ist in diesem Zusammenhang besonders bedeutend. Die vertraglichen Zeiträume für Endstörungen sind in der Regel in Service Level Agreements (sog. SLAs) festgehalten. Werden diese überschritten kann der Kunden die sofortige Endstörung verlangen. Wird dieses Recht über das Eskalationsteam eingefordert, so stehen diverse Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen kann innerhalb des Ticketsystems eine Priorisierung erfolgen, zum anderen könnten die Eskalationsmanager direkt auf die zuständigen Bearbeiter zugehen und die priorisierte Bearbeitung einfordern. Jeder Weg hat Vor- und Nachteile. Die höhere Priorisierung des Tickets bewirkt nicht in allen Fällen eine schnellere Problemlösung, ist aber ein den Prozessen folgender und sauberer Weg. Das direkte Ansprechen des Bearbeiters ist im Einzelfall zwar zielführend, kann die Kollegen aber, gerade wenn neben der Ticketbearbeitung in der Fachgruppe auch Linienaufgaben betreut werden, nachhaltig an der eigentlichen Arbeit hindern. Dies kann gesamtwirtschaftlich negative Auswirkungen haben.

 

Die größten Konflikte resultieren mitunter aus dem Selbstverständnis einiger Mitarbeiter. Eine in den Verträgen verhandelte Entstörungszeit wird durch den einzelnen Anwender in der Regel als zu lang bewertet. Daher werden Eskalationen in der Praxis häufig bereits vor Ablauf der SLAs eingeleitet und mit dringend notwendigen Arbeiten oder der Wichtigkeit der betroffenen Person begründet. Dies mag in gewissen Fällen zutreffen, ist aber in Bezug auf die Glaubwürdigkeit des Eskalationsteams gegenüber des Service Desks als negativ zu bewerten. In solchen Fällen lohnt es sich ggf. einen VIP-Service für ausgewählte Mitarbeiter und Führungskräfte zu etablieren. Die Kosten für einen VIP-User betragen im Vergleich zu einem Standard-User in der Praxis ca. das Zehnfache. Aus diesem Grund sehen Unternehmen in vielen Fällen davon ab, diesen Service in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus gestaltet sich die Bestimmung der VIP´s als schwierig und kann zu unangenehmen Diskussionen führen.

 

In jedem Fall befolgt werden sollte der folgende Grundsatz: Jeder Anruf / jede Mail resultiert in einem Ticket. Dadurch sichern die Mitarbeiter, neben der besseren Nachvollziehbarkeit von Ticketvolumina und der ggf. revisionssicheren Dokumentation von Vorgängen, auch die eigenen Arbeitsplätze. Sofern Ticketstatistiken nur einige wenige Tickets aufweisen, könnte über personelle Einsparungen nachgedacht werden. Der Grundsatz sollte sowohl für den Service Desk, als auch für das Eskalationsmanagement gelten. Eine durchdachte Dokumentation hat in der Praxis vielfältige Vorteile, wie bspw. die beschleunigte Abarbeitung bekannter Fehlerbilder durch das Suchen von Schlagworten in der Known Error Datenbank.

 

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Empfehlungen aus ITIL ebenfalls auf das Eskalationsmanagement angewendet werden sollten und bei der Implementierung sehr hilfreich sind. Bei der Einführung sind darüber hinaus allerdings weitere Fragen und Voraussetzungen zu berücksichtigen. Insbesondere die Schnittstellen zu anderen Prozessen müssen implementiert bzw. angepasst werden. Generell ist der Erfolg maßgeblich von der Rückendeckung des Managements und der Einhaltung der mit dem Kunden abgestimmten Prozessen abhängig. Denn auch die besten Prozesse können nicht zum gewünschten Ziel führen, wenn diese nicht eingehalten werden.

 

Autor: Dennis Henrichs

Dezember 2016

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