Buchrezension: ITIL in der Praxis

Von Martin Beims und Michael Ziegenbein, Carl Hanser Verlag München, 2015


Die Redaktion bei itil.de hat sich entschlossen, das Buch von Martin Beims und Michael Ziegenbein, „IT-Service Management in der Praxis mit ITIL®“ (Carl Hanser Verlag, 2015), aus diversen Perspektiven zu beleuchten. Mein Kollege, Dr. Guido Hoffmann, hat schon letzte Woche im letzten Blogbeitrag das Buch und ITIL mit Blick auf die Praxisrelevanz beleuchtet. In diesem Beitrag setze ich die Brille des Senior Managers eines Unternehmens bzw. dessen strategischen Beraters auf.

Zunächst schließe ich mich der Meinung meines Kollegen an, dass das Buch einen nützlichen Beitrag zur ITIL-Literatur liefert. Ein Hauptproblem der offiziellen Literatur von ITIL liegt in ihrer Masse./1/ Das Buch der Herren Beim und Ziegenbein reduziert die mehr als 2000 Seiten der Methode auf weniger als 400. Neben ITIL werden die Themen CMMI, ISO 20.000, COBIT, PRINCE2 und BPM 2.0 gut dargestellt. Alle wichtigen Themen werden erörtert. In diesem Sinne erfüllt das Buch schon seine Mission: ITIL handhabbarer für die Leser und für die Teilnehmer eines ITIL Foundation Seminars zu machen.

 

Das Buch verfehlt allerdings das Ziel seines Titels “ITSM in der Praxis mit ITIL” an einem ganz entscheidenden Punkt: Es geht nicht über die offizielle Literatur hinaus. Die Autoren thematisieren in der Einleitung das Problem, dass die offizielle Literatur auf einer gewissen Abstraktionsebene bleiben muss, um relevant für alle Situationen zu bleiben. D’Accord. Deshalb erwarten wir von einem Buch, das “Praxis” in seinem Titel hat, konkrete Hilfe an dieser Stelle. Auf einer strategischen Ebene heißt diese Hilfe: Sollen wir in ITIL investieren?

Was erwartet dann die Geschäftsleitung oder ein CIO von einem Framework wie ITIL? Sie wollen zwei Sachen sicherstellen, die unter den Modebegriff Governance fallen: Einhaltung der Gesetzgebung (und sonstigen Regularien) und die Verfolgung der Geschäftsziele. 

 

Keiner zweifelt daran, dass das Prozessmodell, die KPIs oder die Rollen und Verantwortlichkeiten in ITIL einen guten Beitrag zur Governance im Sinne von Compliance liefern. Wie die Autoren ebenfalls bemerken, ist es allerdings wichtig, die Geschäftsziele zu unterstützen, indem qualitativ richtige Services (Effektivität) auch kostengünstig (Effizienz) geliefert werden. Anders ausgedrückt: Der Nutzen und die Kosten von ITIL müssen in einem guten Verhältnis stehen. Zusammengefasst erwartet das C-Level eines Unternehmens, dass ITIL einen guten Wertbeitrag leistet. 

 

Aus strategischer Sicht lautet deshalb die Praxis-Frage an ITIL: Wie kann ich mit so wenig ITIL wie möglich die gewünschten Niveaus an Qualität, Sicherheit, Verfügbarkeit, Compliance etc. erreichen? Da ITIL ein Management-Framework ist, erzeugt ITIL fast zu 100% Overhead-Kosten, die durch die Strukturierung der Komplexität wieder reingeholt werden. Die Kosten schließen sowohl die operativen Kosten meines nach ITIL aufgebauten Managements als auch die Kosten für das ITIL-Einführungs-/Optimierungsprojekt ein. An dieser Stelle liefert das Buch leider keine besondere Hilfe. Es wiederholt die Aussagen der offiziellen Literatur, die fast zu Plattitüden geworden sind: 

  • Wir müssen unsere Kunden und die Märkte verstehen.
  • Services müssen einen Wertbeitrag liefern.
  • Services und Prozesse müssen effizient sein und dies muss gemessen werden.
  • etc.

Ja, das stimmt alles. Aber ich brauche noch mehr Unterstützung:

  • Wie definiere ich gute Services und Service Level Agreements?
  • Welche der vielen Prozesse führen wir zuerst ein?
  • Wie bekomme ich gute Governance bei einem Voll-Outsourcing?
  • Welche von den hunderten vorgeschlagenen KPIs brauche ich wirklich?
  • Wie kann ich tatsächlich den Wertbeitrag von ITIL messen? 

 

Die letzte Frage ist der entscheidende Punkt: Kann man das überhaupt messen? Jawohl. Eine gute Analyse der IT kann den Unterschied zwischen einer “mit ITIL” vs. “ohne ITIL” Situation ermitteln. Man muss nur die Entscheidungsfälle klar identifizieren und die Analyse danach ausrichten. Ein Beispiel: Wie hoch sind die Risiken bzw. der Produktivitätsverlust oder die Verzugskosten durch einen schlecht definierten Change Management Prozess? Diese Kosten lassen sich relativ leicht ermitteln. Wenn ich sie als CIO kenne, kann ich entscheiden, ob ITIL mir helfen würde.

 

Die Kritikpunkte einer Buchrezension stellen häufig die Ideen des Referenten dar, wie er das Buch geschrieben hätte, wenn er selbst auf die Buchidee gekommen wäre. Von daher möchte ich zum Schluss betonen, dass mein hier zugrundeliegender Ausgangspunkt nicht der Zielsetzung der Autoren entspricht. Die Autoren helfen jedoch in einem wichtigen Punkt: Sie stellen den Zusammenhang zwischen ITIL und anderen Methoden wie Balanced Scorecard, COBIT, CMMI etc. her (siehe als Beispiel die Konkretisierung des Balanced Scorecard Ansatzes im ITIL-Kontext, S. 214-218). Daher ist das Buch eine bessere Einleitung in das Thema ITIL als die offizielle Literatur selbst. 

 

/1/ Die offizielle Literatur von ITIL ist mit seinen fünf Bändern über 1400 Seiten lang. Sicherlich könnte eine straffe Redaktion diese Seitenanzahl auf die Hälfte reduzieren – ohne Reduktion der behandelten Themen selbst. Leider ist aber The Stationery Office (TSO) als Verlag nicht für die Qualität der Redaktion bekannt.

 

Autor: Dr. James Lee

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Abonnieren Sie

http://www.itil.de/rss/blog

unseren Blog itil.de

Unsere Mission

Wir leisten einen Beitrag zu besserem IT Service Management durch die pragmatische Auseinander-setzung mit ITIL und verwandten Themen.

Werbung

Wollen Sie ITIL-Experte werden? Dann lassen Sie sich zertifizieren bei

expertplace academy
expertplace academy
ITSM Consulting
ITSM Consulting